Kleine Geschichte des Schuldenmachens
Allgemein
herrscht die Meinung, Geld ist gut – wenn man es hat. Dagegen gilt Geld
als
etwas Schlechtes, wenn man es nicht hat. Und als ganz besonders
schlecht, wenn
man es schuldet.
Schulden
also etwas Schlechtes? Wir
wollen sehen… Werfen wir ein paar Blicke in die Geschichte des
Schuldenmachens:
Zunächst
fällt auf, dass man die Frage umso eher und umso kräftiger bejahen
kann, je
weiter man zurückschaut. Wer im Altertum seine Schulden nicht
zurückzahlen
konnte, landete in einer besonderen Form der Sklaverei – der
Schuldknechtschaft. Darunter versteht man, dass ein Schuldner sich
selbst dem
Gläubiger zur Verfügung stellt und seine Schulden abarbeitet.
Ersatzweise kann
der Schuldner auch eine Person dafür zur Verfügung stellen, besser
gesagt:
verpfänden, über die er Verfügungsgewalt hat, z.B. Ehefrau, Verwandte
oder – am
häufigsten praktiziert – Kinder.
Schuldknechtschaft
war nicht nur bei den alten Griechen und Römern weit verbreitet,
sondern auch
schon bei den Germanen. Sie hielt sich im Deutschen Reich bis weit ins
Mittelalter hinein. Sie wurde dann allmählich durch die Privathaft
(Haft in
Privatgefängnissen!) und dann zunehmend den öffentlichen Schuldturm
abgelöst.
Der Schuldturm (meist ein bestimmter Turm der mittelalterlichen
Stadtbefestigung) wurde bis zum Beginn der frühen Neuzeit praktiziert
und erst
im 19. Jahrhundert abgeschafft.
War ein
säumiger Zahler einmal im Schuldturm gelandet, blieb er dort in der
Regel auf
unbestimmte Zeit. Denn dieses Rechtsmittel diente hauptsächlich der
Druckausübung. Nur selten konnte man in manchen Reichsstädten die
Schulden auch „absitzen“.
Weltweit
ist die Schuldknechtschaft auf Betreiben der UNO bereits seit 1956
formell
abgeschafft, trotzdem gibt es sie de facto noch in Teilen Asiens und
Afrikas.
Das bekannteste Beispiel sind sicherlich die Teppiche knüpfenden Kinder
in
Indien oder Pakistan.
Dort gibt
es auch eine ganz perfide Form der Schuldknechtschaft, die die Schuld
nicht
mindert, sondern sie sogar noch steigert. Ausbeuterische Unternehmer
machen
sich die große Not der einfachen Landbevölkerung zunutze. Entweder sind
die
Eltern so arm, dass sie ihre zahlreichen Kinder nicht ausreichend
versorgen
können, oder sie haben sich irgendwann einmal Geld geliehen, das sie
nun nicht
mehr zurückzuzahlen in der Lage sind. In jedem Fall überlassen sie dem
Gläubiger
ein oder mehrere Kinder, die für sie nun die Schulden durch Arbeit
tilgen
sollen.
Durch
Wucherzinsen, nicht angemessene Bezahlung, Inrechnungstellung von Kost
und
Logis usw. steigen die Schulden aber oft weiter. Sie können u.U.
weitervererbt
werden, so dass mitunter ganze Generationen in Schuldknechtschaft
verharren.
Allein in Indien sollen 15 Millionen Kinder in dieser Form der
Sklaverei leben.
Doch wieder zurück in
unsere Breitengrade. Seit
Jahrhunderten und Jahrtausenden sind Schulden schlecht angesehen.
Michaela
Brötz, die Herausgeberin von DER KNAUSERER, der 1. Online-Zeitung für
Sparsame (www.derknauserer.at),
hat dies einmal anschaulich geschildert:
„Wenn ich mir meine
Großelterngeneration ansehe,
die heute über 70 ist, so galt in ihrer aktiven Zeit: Schulden sind
schlecht.
Es war eine Selbstverständlichkeit, sich nicht zu verschulden, ja es
galt sogar
als verrufen. Wer nun wirklich zusätzliches Geld brauchte, erzählte mir
einmal
ein alter Bauer, musste beim Direktor der Raiffeisen-Bank vorsprechen
und
um das Geld bitten und betteln, während dieser ihm gehörig die Leviten
las und
mindestens 100 Belehrungen mit dem geliehenen Geld auf den Weg mitgab.
Dass
natürlich ein unbescholtener, höchst kreditwürdiger Bürge dabei sein
musste,
war Ehrensache. Schulden wurden als Schande dargestellt, es galt die
Devise:
Nur Bares ist Wahres.“
Diese
Sichtweise hat sich vor allem mit den letzten ein, zwei Generationen
grundlegend geändert. Konsum herrscht in allen Bereichen. Der kleine
Mann wurde
als Zielgruppe entdeckt. Ihm wird suggeriert, dass Glück käuflich ist,
dass er
alles haben kann – und zwar sofort. Sollte er sich das Angebot
eigentlich nicht
leisten können, ist das kein Problem: er kann es monatlich abbezahlen.
Für ihn
wurde der Teilzahlungskredit erfunden. Wobei Kreditaufnahme und
Rückzahlung
verharmlost werden. („easyCredit“, „Lebe heute – zahle morgen“ usw.).
Gleichzeitig wurden
immer neue Bedürfnisse geweckt.
Man
kann
es recht genau zeitlich definieren, wann und von wem in Deutschland das
Schuldenmachen, konkreter gesagt die Ratenzahlung erfunden wurde. Es
waren
nicht die Krämer- und Tante-Emma-Läden, wo man bis zur nächsten
Lohntüte
anschreiben lassen konnte. Nein, in Berlin stand die Wiege. Und
Geburtshelferin
war die Berliner BEWAG, die Berliner Elektrizitätswerke AG.
Es
war das Jahr 1923. Eine noch nie da gewesene
Inflation herrschte: Für 1 US-Dollar musste man 4,2 Billionen
Papiermark
hinblättern. Einzelne Städte druckten ihr eigenes Notgeld. Zum
Schluss waren Tapeten teurer als Geldscheine, so dass man damit die
Wände
beklebte…
Da wurde
die Rentenmark eingeführt und Summen konnten plötzlich wieder mit 12
Nullen
weniger geschrieben werden. Im gleichen Jahr wurde in Berlin die BEWAG
gegründet. Die
neue Energie des elektrischen Stroms wurde in der Bevölkerung mit
Begeisterung
aufgenommen.
Da das Geld
wieder etwas wert war und die Einkommen langsam stiegen, wünschte man
sich so
manche Errungenschaft der neuen Zeit. Und die BEWAG erfüllte die
Wünsche. Sie
kreierte ein geniales Konzept mit dem Namen „Elektrissima“. Um mehr
Strom
absetzen zu können, verkaufte sie einfach auch elektrische Kochplatten,
Staubsauger oder Kühlschränke. Die Raten wurden vom Stromableser
zusammen mit
der Stromrechnung monatlich gleich mitkassiert. Der Ratenkauf im großen
Stil
war geboren.
Eine
erfolgreiche Geschäftsidee wurde auch früher schon schnell kopiert und
bald
boten die großen neuartigen Warenhäuser von Rudolf Karstadt oder
Hermann Tietze
(„Hertie“) sowie andere ebenfalls Kauf auf Raten an. So kam es
natürlich noch
mehr in Mode, größere Anschaffungen zu tätigen, ohne vorher das
notwendige Geld
angespart zu haben.
Wieder
blieb der Erfolg nicht aus – mit ihm aber leider auch die schwarzen
Schafe, die
die Monatsraten schuldig blieben. Es wurde immer deutlicher, dass man
vorab
eine Überprüfung der Kreditwürdigkeit vornehmen musste. Damit schlug
noch eine
weitere Geburtsstunde: die der SCHUFA im Jahre 1927. Strom- und
Gasversorger,
Handelsunternehmen und Banken schlossen sich zu einem gemeinsamen
Bonitäts-Check-System zusammen.
Teilzahlung
wurde allmählich populär, Sparen dagegen kam immer mehr aus der Mode.
Der
Zweite Weltkrieg unterbrach die Entwicklung ein, zwei Jahrzehnte,
konnte sie
aber nicht aufhalten. Und so wurde Schuldenmachen etwas
Selbstverständliches,
etwas ganz Normales. Für Schuldenmachen wird heute von fast allen
Branchen
pausenlos geworben: Kreditinstitute, Autohäuser, Einrichtungshäuser,
Versandhändler, Reiseveranstalter und und und.
Schuldenmachen
musste zwangsläufig
gesellschaftsfähig werden, denn unsere Wirtschaft basiert weitgehend
darauf.
Außerdem gibt es so viele Vorbilder von Amts wegen: Die Stadt, das
Bundesland,
der Staat. Und die EU wurde mittlerweile zum größten Schuldner, die die
Geschichte
je gesehen hat. Schuldenmachen ist „offiziell“ normal.
Nie war der
Lebensstandart der Menschen höher als heute, direkt und indirekt auch
mitverursacht durch Schulden.
Nie waren
aber auch Freiheit und Demokratie größer als heute. Und auch dies ist
das
Ergebnis von Schulden! Nämlich der Schulden von
Ludwig XVI., dem König von
Frankreich (1754-1793). Ausufernde Hofhaltung, um nicht zu sagen
Prunksucht
sowie kostspielige Auslandskriege führten zu einer immensen
Staatsverschuldung.
Zwar erkannte der König das Problem und versuchte Reformen, scheiterte
jedoch
am Widerstand der beiden privilegierten Stände, Adel und Kirche. Um der
Überschuldung doch noch Herr zu werden, berief er die sog.
Generalstände ein.
Es kam zu weiteren Eskalationen, die schließlich in der Französischen
Revolution mündeten, der Mutter der modernen Demokratie und Freiheit.
Ergo:
Schulden können auch etwas Gutes bewirken: z.B. brachten sie uns
indirekt die
Menschenrechte!
Die
Verschuldung hat aber heute in Deutschland derart dramatische Züge
angenommen, dass es nun zwangsläufig ebenfalls zu einer
Revolution kommen musste. Einer Revolution in der deutschen
Rechtsgeschichte,
der Verbraucherinsolvenzordnung. Ein langes Wort, aber der kurze Weg
zur
Schulden-Freiheit. Ein Recht,
das Firmen und Selbstständigen schon lange gewährt wird, nämlich in
Konkurs zu
gehen und somit einen Neustart zu ermöglichen, findet jetzt endlich
auch auf
Privatpersonen Anwendung.
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