Die Religion von der Kokosnuss
Was sind die unglaublichsten Märchen? Meiner unmaßgeblichen Meinung
nach die Religionen. Ein besonders krasses Beispiel einer neuen
Weltanschauung hat ein durchgeknallter Deutscher abgeliefert, der vor
hundert Jahren auf einer Südseeinsel gestorben ist.
Und zwar handelt es sich um August Karl Engelhardt aus Nürnberg. Mit 24
Jahren schloss sich der gelernte Apothekenhelfer 1899 der Kuranstalt
„Jungborn“ im Tal der Ecker bei Stapelburg im Harz an. Sie gilt als
Deutschlands erste und größte Naturheilanstalt und ihre Grundprinzipien
waren Vegetarismus und Nudismus.
Der praktizierte Nudismus galt in der prüden Kaiserzeit als eine
Unsittlichkeit, und so wurde der Gründer, Adolf Just, bald
strafrechtlich verfolgt und musste unter dem Vorwand unstatthafter
Betätigung als Naturheilkundler sogar eine Gefängnisstrafe antreten.
Das veranlasste August Karl Engelhardt das strenge Deutsche Reich zu
verlassen und er reiste 1902 in die kaiserliche Kolonie
Deutsch-Neuguinea nördlich von Australien. Auf der Insel Kabakon im zum
heutigen Papua-Neuguinea gehörigen Bismarck-Archipel kaufte er eine 75
Hektar große Kokosplantage.
Nun begann er seine Vorstellungen von naturverbundener Lebensführung in
die Realität umzusetzen, wenn er auch anfangs nur der einzige Weiße auf
der Farm war. Wie in „Jungborn“ verzichtete er auf Kleidung und
ernährte sich wieder vegetarisch – diesmal hauptsächlich von
Kokosnüssen.
Diese Frucht sowie die Sonne bildeten die Basis für seine Philosophie
„Kokovorismus“, die immer mehr religiöse Züge annahm. Die spätere
kleine religiöse Gemeinschaft nannte er „Sonnenorden – Aequatoriale
Siedlungsgemeinschaft“.
Die Sonne war für ihn die Quelle des Lebens, und die Kokosnuss, die der
Sonne am nächsten wachse, sei die vollkommenste Nahrung für den
Menschen. Er behauptete sogar, dass die Kokosdiät den Menschen
unsterblich mache und mit Gott vereinige.
Wikipedia
schreibt, dass Engelhardts Aussagen immer abwegiger wurden, je weiter
er die Philosophie des Kokovorismus ausarbeitete. Ein Beispiel:
So behauptete er, das edelste Organ des menschlichen Körpers sei das
Gehirn, da es sich der Sonne am nächsten befinde; er bestritt, dass ein
so edler Körperteil seine Kraft vom tiefliegenden und schmutzigen
Verdauungstrakt erhalte, und meinte stattdessen, das Hirn beziehe seine
Energie aus den Haarwurzeln, die ihrerseits vom Sonnenlicht ernährt
würden. Aus diesem Grunde sei das Tragen jeglicher Kopfbedeckung
schädlich.
Über in Europa verbreitete Werbeschriften fand er dennoch
Gleichgesinnte. 1903 traf der erste ein – ein Helgoländer Vegetarier
namens Heinrich Aueckens, der allerdings sechs Wochen später schon
verstarb…
1904 kam Max Lützow auf Kabakon, ein damals berühmter Dirigent,
Violinist und Pianist. Er war wohl etwas zivilisationsmüde und schrieb
begeisterte Briefe nach Deutschland, wovon einer in der Zeitschrift
„Vegetarische Warte“ abgedruckt wurde und den Sonnenorden schlagartig
bekannt machte. Doch auch Lützow wurde krank und verstarb an den
Anstrengungen einer Bootsfahrt, die ihn in ein Krankenhaus bringen
sollte.
Engelhardts Nudisten-Gemeinschaft stand nun vor dem Ende, als die
Handvoll Gläubige Kabakon verließ. Doch der Naturwissenschaftler August
Bethmann traf mit seiner Verlobten ein, und die Propaganda für den
Sonnenorden nahm wieder Fahrt auf, indem auch Bethmann enthusiastisch
über das Leben auf Kabakon berichtete.
1906 wurde Engelhardt selbst schwer krank und wog nur noch 39 Kilogramm
bei einer Körpergröße von 1,66 Metern. Durch die intensive Pflege in
einem deutschen Kolonialkrankenhaus wurde er wieder gesund, floh
allerdings von dort und kehrte zurück auf seine Insel.
Bethmann hegte mittlerweile große Zweifel an dem Ordensgründer
Engelhardt und wollte mit dem nächsten verfügbaren Dampfer abreisen.
Dazu kam es aber nicht mehr, weil Bethmann unter ungeklärten Umständen
starb. Ein Streit mit tödlicher Folge ist nicht ausgeschlossen, konnte
aber nie bewiesen werden.
Engelhardts Schriften wurden noch abstruser und die deutsche
Kolonialverwaltung hatte den Eindruck, dass er geisteskrank sei. Daher
ließ sie keine Besucher mehr auf seine Insel.
Engelhardt bewirtschaftete daraufhin zusammen mit einem deutschen
Verwalter nur noch seine Kokosplantage, wurde nach Ausbruch des Ersten
Weltkrieges von den Australiern kurz interniert, kehrte aber bald
wieder zurück und verpachtete die Plantage schließlich an einen
Deutschen, der mit einer Australierin verheiratet war.
August Karl Engelhardt befasste sich nun nur noch mit dem Studium
einheimischer Heilpflanzen und mit Homöopathie; schließlich starb er
irgendwann allein und einsam irgendwann Anfang Mai 1919, seine Leiche
wurde Tage später aufgefunden.
AUCH INTERESSANT:
Infos über die Kokosnuss, die sie bestimmt noch nicht kennen
Avocado - ein sehr problematisches Superfood
Die natürliche Alleskönner-Arzneipflanze
14 Wundermittel für Ihren Körper
|
|
|