Mit
Kolumbien haben viele Europäer Probleme. Wer an Kolumbien denkt, denkt
an Kokain und Drogentote, die Kartelle von Medellin und Cali oder die
linksextremen Terroristen der ELN und FARC, die 2002 die Politikerin
Ingrid Betancourt entführten und über sechs Jahre im Dschungel gefangen
hielten. Aber Pablo Escobar, Drogenbaron, Abgeordneter,
Zeitungsverleger und Volksheld der Armen, wurde 1993 erschossen, seine
Hacienda Napoles
in Puerto Triunfo, 165 Kilometer von Medellin, ist heute ein
Erlebnispark. Schießereien auf offener Straße müssen Sie in Medellin
nicht mehr befürchten.
Wer
ohne Vorurteile nach Kolumbien kommt, erlebt eines der interessantesten
Länder in Südamerika, das sich politisch angenehm von den sozialistisch
verseuchten Nachbarn Venezuela und Ecuador abhebt. Lesen Sie, wie ein
Schweizer das Land erlebt... und wie
eine Steuerreform in Kolumbien aussieht.
Von Bruno
Lustenberger
Auswandern innerhalb Europas kam für mich als Schweizer nicht in Frage:
Arbeit wird im Vergleich zur Schweiz viel schlechter bezahlt, dazu
höhere Steuern. Spanien oder Italien finde ich sehr gut, sind aber dank
EU keine Alternative für einen, der noch 20 Jahre berufstätig ist. Wenn
also auswandern, dann richtig weit weg. Mein Entschluss war gefasst:
zwei Jahre Südamerika und dann Bilanz ziehen. Als Dozent an
Fachhochschulen konnte ich ja im Notfall jederzeit wieder zurück und
beruflich wieder einsteigen.
Zuerst
ging ist vier Monate nach Spanien, um die Sprache zu lernen, und dann
nach Chile. Dank einer Bekannten hatte ich dort ein Zimmer und konnte
mich sehr gut einleben. Mein Ziel, ein Buch über meine Erfahrungen mit
der Finanzwelt und der Bürokratie zu schreiben, habe ich dort erreicht.
Einige
Jahre zuvor war ich bereits drei Wochen in Kuba. Zwei Jahre reiste ich
durch Chile, Argentinien, Bolivien, Peru und Ecuador. Chile ist sehr
schön, hat aber im Süden zu viele Ähnlichkeiten mit der Schweiz oder
Skandinavien. Mir ist es zu kalt.
80 Prozent der Menschen in Südamerika leben
an der Armutsgrenze
Santiago de Chile wird vom Smog zerstört. Fast wöchentlich erlebte ich
Erdbeben zwischen 3,1 und 8,0. Sie sind nicht bedrohlich, aber auch
nicht wirklich angenehm. Gewöhnungsbedürftig ist das große soziale
Gefälle fast überall in Lateinamerika. Estrato steht für soziale Schichten
und Wohnlagen. Estrato 1
heißt armselig, Estrato 2
sehr bescheiden, 3 und 4 so etwas wie Mittelstand mit Einkommen etwas
über dem Mindestlohn. Estrato
5 und 6 sind geschlossene Siedlungen für Reiche, bewacht von privatem
Sicherheitsdienst.
In vielen Ländern leben 80% der Bevölkerung in Estrato 1 und 2. Wer
sich als Auswanderer mangels sozialer Gerechtigkeit unwohl fühlt, ist
in den meisten Ländern Südamerikas fehl am Platz. Auch in Kolumbien.
Die Berufsausbildung mit Aussicht auf einen
Job mit Mindestlohn
Zeichen für einen Wandel gibt es kaum. Es ist eben so und wird so
bleiben, angefangen beim Schulsystem. Staatliche Schulen sind
kostenlos, taugen aber wenig. Lehrer sind unterbezahlt und oft
monatelang gar nicht bezahlt. Klassen haben 25 bis 30 Schüler, mit vier
bis fünf Klassen in einem Saal. Die Kosten für eine Privatschule sind
höher als der Mindestlohn; in Kolumbien und ähnlich in allen Ländern,
die ich besucht habe.
Berufsausbildung
ist das nächste Problem. Das staatliche SENA-System (Servicio Nacional
de Aprendizaje) in Kolumbien vermittelt berufliches Grundwissen
(Verwaltung, Gastronomie, Hotels, Krankenpflege) mit Aussicht auf den
Mindestlohn. Aufstiegschancen stehen nur denen offen, die einen
Universitätsabschluss haben.
Seit
ich an einigen Unis Referate hielt, habe ich einen gewissen Einblick
über den Wissensstand von Studenten. Ich sollte auf Englisch einen
Vortragüber Tourismus halten. Nach 3 Minuten unterbrach der Dekan, es
wäre doch besser auf Spanisch, da die Studenten (und er womöglich auch)
Englisch nicht gut verstehen. Was zählt, ist ein Diplom, um an die Wand
zu hängen. Lernen ist zweitrangig. Die Bibliothek war sehr gut
ausgestattet, aber selbst Bücher von Nobelpreisträgern (Wirtschaft)
sind in 12 Jahren nicht ein einziges Mal ausgeliehen worden.
Irgendwie
typisch für die Situationen an Hochschulen ist die Aussage eines
Studenten: "Mein Papa zahlt jeden Monat viel Geld. Die leben hier von
uns. Also müssen Sie mir das Diplom geben!"
Eine Anstellung findet er auch leicht, dank seines Vaters. Dann führt
er, ohne viel gelernt zu haben oder zu können, die Abteilung eines
Unternehmens.
Kaum ein Normalbürger zahlt in Kolumbien
einen Peso direkte Steuern
Warum hole ich so weit aus? Kolumbien (und ganz Lateinamerika) ist ganz
anders als Europa. Kein Vergleich zu Spanien oder Italien. Wer sich
dessen nicht bewusst ist und sich nicht gut informiert, wird hier böse
aufwachen, in der Regel ohne Geld. Und warum ist Kolumbien trotzdem ein
wunderschönes Land und für viele Auswanderer ein gutes Ziel?
In Kolumbien
habe ich vieles gefunden, was mir persönlich wichtig ist. Vor allem
sehr viel Freiheit!
Ich bin weitgehend frei zu machen, was ich will. Für wenige
Unternehmungen brauche ich eine Bewilligung einer Behörde. Kaum ein
Normalbürger hier zahlt einen Peso direkte Steuern. Einnahmen in
Kolumbien sind bis zu einer Grenze von 3,5 Millionen Peso steuerfrei.
Das sind etwa 1.382 Euro, egal ob aus Mietverträgen, Arbeitslohn oder
Erträgen aus Geschäften und Verkäufen. Nur wer mehr verdient - und das
sind hier sehr wenige - zahlt 5 bis 27 Prozent Einkommenssteuer auf
seine Welteinkünfte.
Außerdem
gibt es die Mehrwertsteuer, die für die meisten Waren bei 16% liegt.
Handelsunternehmen, Gastronomie etc. füllen Mehrwertsteuer-Erklärungen
aus und führen die Mehrwertsteuer ab. Als Privatperson werde ich hier
mit dem Thema Steuern nicht konfrontiert. Renten und andere Bezüge aus
dem Ausland sind in der Praxis steuerfrei. Prinzipiell muss jeder, der
offiziell in Kolumbien lebt, sein Welteinkommen hier versteuern.
Ausländer, deren ausländisches Einkommen die Freigrenze übersteigt,
regeln das oft so, dass sie ihr Einkommen über eine Firma in einem
Drittland beziehen und sich nur ein Gehalt unter dem Limit nach
Kolumbien überweisen.
Tatsache
ist, dass Sie hier von 1.382 Euro im Monat sehr gut leben. Gemessen an
den Kosten ist es so, als wären in Deutschland etwa 3.000 Euro
steuerfrei.
Auf dem Land mieten Sie schon für 70 Euro
ein Häuschen mit Garten
Ich kenne kein Land, wo landwirtschaftliche Erzeugnisse so gut sind wie
in Kolumbien. Die Produktion ist eine Art unfreiwilliges Bio, weil
viele Bauern gar kein Geld für Chemie haben. Viele Früchte hatte ich
noch nie gesehen. Hier esse ich sogar wieder Fleisch, wenn auch wenig.
Massentierhaltung gibt es nicht, außer bei Hühnern. Jeden Morgen presse
ich mir frische Fruchtsäfte. Das Klima ist sehr angenehm, je nach
Region mild oder heiß.
An
der Karibikküste ist das Leben deutlich kostspieliger als im
Landesinnern - wo nur große Städte wie Botota und Medellin relativ
teuer sind. Wer sich in einem Dort im Landesinnern niederlässt, bezahlt
für ein kleines Häuschen mit Garten 70 bis 120 Euro Miete im Monat,
plus Nebenkosten von 10 bis 20 Euro für Gas,
Strom und Wasser. Im Gasthaus kostet ein Menü zwischen 4.000 und 7.000
Pesos, 1,60 bis 2,50 Euro. Selber kochen ist noch billiger. Alleine
können Sie mit 500 Euro sehr gut leben. Zu zweit ist es sehr viel
weniger als das Doppelte.
Lernen Sie Spanisch - oder vergessen Sie
Kolumbien lieber gleich
Die Karibikküste bietet in und um Santa Marta vielen
Auswanderern eine neue
Heimat. Grundvoraussetzung, um hier gut und zufrieden zu leben,
ist allerdings, dass Sie gut Spanisch sprechen. Ausländer ohne
Sprachkenntnisse werden immer über den Tisch gezogen. Wer nicht in der
Sprache des Landes argumentieren kann, wird ausgenommen.
Bleiben
kann ein Ausländer grundsätzlich drei Monate ohne Visum, sechs Monate
pro Kalenderjahr. Eine Aufenthaltsgenehmigung oder Residencia zu
beantragen, ist etwas anspruchsvoller. Anforderungen und Kosten wurden
2013 erhöht, Kolumbien macht es potenziellen Einwanderern nicht
einfach. Das Problem mit der Bürokratie ist vor allem, dass sich
Bestimmungen und Richtlinien immer mal wieder von einem Tag auf den
anderen ändern.
Korruption ist übrigens kein Thema; jedenfalls wurde ich in 3 Jahren
nie damit konfrontiert, obwohl ich viel mit Behörden zu tun habe. Kaum
ein Kolumbianer lässt aber die Chance aus, sich auf Kosten eines
Unwissenden zu bereichern. Vertrauen Sie niemandem, wenn es um Geld
geht! Wer hier wenig besitzt, hält es für gerecht, jeden anderen
auszunehmen, der mehr hat als er.
Probleme gibt es überall. In Kolumbien
lohnt es sich, diese zu lösen
Womit Geld verdienen? Es ist nicht einfach. Niemand will hier
internationale Küche oder eine andere Kultur, bessere Technik oder gar
einen guten Handwerker. Gute Qualität ist kaum gefragt. Immobilien, so
jedenfalls meine Erfahrung, sind für Ausländer eine sehr interessante
Branche.
Probleme
gibt es überall. Hier lohnt es sich, diese zu lösen, denn Kolumbien ist
ein wunderschönes Land. Landschaftlich, klimatisch und kulinarisch. Und
noch nie - und ich bin viel gereist - habe ich so viele hübsche Frauen
gesehen. Wenn ich im Stadtzentrum einen Bus nehme, frage ich mich immer
wieder, ob heute eine Misswahl stattfindet. Kolumbiens Frauen sind
gepflegt und sehr hübsch, junge wie alte. Sie kennen natürlich
ihre Wirkung gerade auf Ausländer, und mancher ist schon zur
willkommenen Beute geworden, wenn er Geld hatte.
Ich habe viele Europäer kennen gelernt, und
ihre Geschichten wiederholen sich. Verliebt, geheiratet, schwanger,
Hauskauf, zweites Haus für die Schwiegereltern, Kind, Geld, Scheidung,
Geld weg, Häuser weg.
Bruno
Lustenberger lebt seit vielen Jahren in Südamerika und seit 3 Jahren in
Kolumbien, in Taganga bei Santa Marta und in Pereira. Wer sich für das
Land interessiert und Fragen hat, kann sich gern bei ihm per Email
melden: gruezi70@gmx.ch
Dieser
Artikel stammt mit freundlicher Genehmigung aus dem monatlich
erscheinenden e-Magazin "Leben im Ausland". Nähere Infos und unzählige
weitere Auslandsthemen auf dieser Webseite.
AUCH INTERESSANT:
NEU in Kolumbien: Auslandsrenten jetzt steuerfrei
Süd-Brasilien - wo sich Europäer wie zuhause fühlen
Die Länder mit den glücklichsten Menschen
Konzepte für Gratis-Kredite
Die perfekte Hammer-Sparanlage, die vielleicht beste der Welt
200 Euro kostenlos