Wie
Island die Finanzkrise
zum Vorteil seiner Bürger meisterte
Island
ist ein kleines Land mit nur 300.000 Einwohnern. 2008 wurde es wie so
viele andere von der in den USA geborenen Finanzkrise erfasst. Doch
während diese Banken-Schulden-Finanzkrise fast überall in Europa bis
heute andauert, hat Lichtblick Island die Probleme überwunden.
Und der zweite große
Unterschied ist: zum Vorteil seiner Bürger! Denn die Regierung ist ganz
anders vorgegangen als die EU oder die USA.
Als in den frühen 1990er Jahren nach dem Vorbild der USA vieles
liberalisiert und privatisiert wurde, erfasste diese Tendenz auch
Island. Und es schien der richtige Weg zu sein: Die Wirtschaft brummte,
die mit 3,4% ohnehin schon geringe Arbeitslosigkeit sank bis 2007 sogar
auf 1%. Der Internationale Währungsfonds (IWF) bescheinigte Island,
nach Pro-Kopf-Zahlen das drittreichste Land der Welt zu sein.
Das Wirtschaftswunder wurde hauptsächlich von den drei größten
isländischen Banken überwiegend durch Kredite finanziert. Landsbanki,
Kaupthing und Glitnir wollten an dem Boom besonders stark profitieren
und bedienten sich dabei sehr zweifelhafter, man kann auch sagen
krimineller Methoden.
In seltener
Einigkeit gingen sie dabei unter anderem so vor:
Wenn die Kaupthing Bank von der Landsbanki einen großen Kredit haben
wollte, gab sie dafür Aktien der Landsbanki als Sicherheit. Das
geliehene Geld wurde zum großen Teil in weitere Landsbanki-Aktien
investiert, so dass die Kurse in die Höhe getrieben wurden. Umgekehrt
tat Landsbanki das Gleiche und die Glitnir Bank praktizierte dasselbe
Spiel… Außerdem wurde privaten Aktienbesitzern Kapital geliehen, um
weitere Aktien der drei Banken kaufen zu können. Die Kurse stiegen und
stiegen, obwohl gar keine neuen realen Werte geschaffen wurden…
Nun kam noch hinzu, dass ausländische Banken, Investmentfonds, private
Groß- und Kleinanleger ihr Geld in isländischen Banken anlegten, weil
die Zinsen verlockend hoch waren. Mehr noch: Ich kann mich gut
erinnern, dass 2008, als ich in London arbeitete und die isländischen
Banken insolvent wurden, viele britische Kommunen Hunderte Millionen
Pfund verloren, weil sie Teile ihres Budgets (also Steuergelder) in
Island als Tagesgeld angelegt hatten.
Die Bilanzsumme allein der drei größten Banken Kaupthing, Landsbanki
und Glitnir betrug das 9-Fache der Wirtschaftskraft des ganzen Landes.
Das war eine veritable Blase und die musste eines Tages platzen, und
wie sie das tat. Auslöser war die bekannte Insolvenz der
US-Investmentbank Lehman Brothers im September 2008. Damit konnten die
drei isländischen Banken auch ihre Kredite nicht mehr bedienen und
waren schon im Oktober 2008 selber pleite. Der Schaden: 182 Milliarden
Dollar – eine astronomische Summe für ein Volk mit gerade mal 300.000
Einwohnern.
Die Pleite dieser drei Banken löste eine verheerende Kettenreaktion aus:
- Die
Isländische Krone verlor 80% an Wert
- Die
Aktienkurse brachen um 75% ein
- Die Löhne
fielen um 12%
- Dafür stieg
die Arbeitslosigkeit auf Rekordniveau: 7%
- Da alle
Wirtschaftsbereiche des Landes von der Bankenpleite betroffen waren,
sank das Bruttoinlandsprodukt um 9,3%
Nun schritt die Regierung ein und sie
handelte schnell und entschlossen:
Landsbanki, Kaupthing und Glitnir wurden verstaatlicht und jeweils in
eine neue und alte Bank aufgeteilt.
Die neuen Banken erhielten alle Aktivposten und durften das solide
Inlands-Kerngeschäft betreiben. Die alten Banken mussten sich mit den
problematischen internationalen Verpflichtungen begnügen. Das führte
natürlich zu deren Bankrott, was zu Verlusten bei Auslandsbanken,
institutionellen und privaten Anlegern führte. Doch im Gegensatz zum
Vorgehen in der EU und den USA wurden somit die isländischen
Steuerzahler weitgehend geschont.
Trotzdem wurde die alte Regierung Islands bei den vorgezogenen
Neuwahlen abgewählt und war somit die einzige, die wegen der
Finanzkrise abdanken musste, denn das Volk sah Versäumnisse in der
Vergangenheit, die zu dieser Krise geführt hatten.
Die neue Regierung
setzte das vorbildliche Handeln der alten Regierung fort
Einerseits wurden für den Finanz-, Währungs- und Immobilienmarkt neue
Regeln aufgestellt und internationale Kapitalverkehrs-Kontrollen
eingeführt, andererseits wurde mit dem eigenen Volk ganz anders
umgegangen. Während in Griechenland, Zypern, Portugal, Spanien und
Irland rigide Sparkurse gefahren und der Bevölkerung schmerzende
Einbußen zugemutet wurden, wurden in Island Sozialprogramme eingeführt
oder gestärkt:
- Verschuldete
Geringverdiener und kinderreiche Familien wurden staatlich unterstützt
- Kredite
konnten zu günstigeren Bedingungen umgeschuldet werden
- Hypotheken-Zinsen
konnten auf Antrag subventioniert werden
- Für
Hypotheken-Kredite wurde ein Moratorium eingeführt, so dass sie nicht
seitens der Banken vorzeitig gekündigt werden konnten
- Immobilien-Besitzer,
deren Kredite höher waren als der durch die Krise gefallene
Immobilien-Wert, bekamen Entlastung durch steuerliche Abschreibung
Ihrer Schulden
- Auch sonstige
Kredite konnten großzügig von der Steuer abgeschrieben werden
- Verbraucher
und Unternehmen wurden dadurch entlastet, dass Auto- und
Unternehmens-Kredite in ausländischen Währungen vom Obersten
Gerichtshof Islands für ungültig erklärt wurden
- Hypotheken-Kredite
in ausländischen Währungen wurden vom isländischen Parlament per Gesetz
in die heimische Währung konvertiert, wodurch die Zinsen deutlich
reduziert wurden
- Für sonstige
Fremdwährungskredite wurde eine zeitlich befristete Aufhebung der
Rückzahlung beschlossen
- Es gab auch
Steuererhöhungen – aber nicht für Normalverdiener, sondern für
Wohlhabende, wodurch Kürzungen im Sozialbereich verhindert wurden
Wie Sie erkennen,
war die Politik der isländischen Regierung bürgerfreundlich. Die der EU
kann man dagegen eher als bankenfreundlich bezeichnen… In Island wurden
nicht die Bürger für die Fehler der Bankmanager bestraft. Ganz im
Gegenteil: In Island wurden die verantwortlichen Bankster vor Gericht
gestellt!! Einige konnte außer Landes fliehen, aber immerhin 26 wurden
zu Freiheitsstrafen verurteilt, meistens zwischen zwei und fünf Jahren.
In den USA wurde bislang kein einziger Banker im Zusammenhang mit dem
Finanz-Zusammenbruch von 2007 vor Gericht gestellt. Vielmehr gab der
Staat über 700 Milliarden Dollar zur Bankenrettung aus. Und der
Finanzmarkt ist nach wie vor nicht reguliert worden.
Übrigens verloren in dieser Krise 4 Millionen Amerikaner ihr Häuschen…
„Warum werden
Banken als heilige Kirchen der modernen Wirtschaft angesehen? Warum
wird es privaten Banken nicht wie Fluggesellschaften oder
Telekomunikation-Gesellschaften erlaubt, Bankrott zu gehen, wenn sie
auf verantwortungslose Weise geführt werden? Die Theorie, dass man
Banken retten muss, ist eine Theorie, die es den Bankern erlaubt, sich
an den Profiten zu erfreuen und dann die normalen Bürger für ihre
Fehler in Form von Steuern und Sparmaßnahmen zur Kasse zu bitten.
Menschen in aufgeklärten Demokratien werden das auf lange Sicht nicht
tolerieren.“ (Islands Präsident Olafur Ragnar Grimmsons)
Seit 2012 geht es in Island wirtschaftlich wieder aufwärts und die
Arbeitslosenzahlen sinken.
Was könnte die Welt
von Island lernen?
1. Unkontrollierte Märkte führen über kurz oder lang
zum Chaos
2. Eine bürgerfreundliche Politik führt schneller aus
der Krise
3. Verursacher, auch wenn es Banker sind, müssen und
können bestraft werden!
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