10 radikale Änderungen, die der Finanzsektor in den nächsten 10 Jahren erleben wird
Anders als damals
die Dampfmaschine, dann die Eisenbahn, dann die Elektrizität, dann das
Auto und schließlich die Informationstechnologie hat die 6.
Industrielle Revolution – die heutige Digitalisierung – das Leben der
Menschen verändert. Die Digitalisierung ist viel, viel schneller, als
alles Dagewesene es war. Zudem steht sie erst am Anfang und wird uns in
der nächsten Dekade noch radikalere Umbrüche bescheren.
Sven Wagenknecht, der Herausgeber des Bitcoin Echo,
sieht 10 Bereiche, die bald nicht mehr so sein werden, wie sie mal
waren. Hat das Internet beispielsweise der Musikindustrie und den
Zeitungsverlagen mächtig zugesetzt, so ist das gar nichts, was
anderen Branchen und dem Leben der Menschen noch bevorsteht. Seine 10
Thesen:
These Nr. 1: Radikaler Stellenabbau unabdingbar – Jeder zweite könnte seinen Arbeitsplatz verlieren
Bereits bestehende Direktbanken und FinTech-Unternehmen
zeigen, dass die Digitalisierbarkeit im Finanzbereich hoch ist, mit 88%
sogar erschreckend hoch. Das heißt, sieben von acht Tätigkeiten sind
ersetzbar. Von den aktuell 571.000 Bankmitarbeitern in Deutschland
werden 500.000 oder mehr ihren Job verlieren, weil Robo Adviser, Smart Contracts, Tokenisierung oder papierarme Dokumentationen sie überflüssig und es schneller und besser machen.
These Nr. 2: Europa verliert gegenüber den USA weiter an Boden
Die spezielle deutsche Bankenlandschaft mit den vielen regionalen
Sparkassen und Volksbanken hat das Wirtschaftswunder nach dem 2.
Weltkrieg durch ihre effiziente Kreditversorgung mit ermöglicht. Doch
die EU mit ihrer NNN-Politik (Niedrig-, Null- und Negativ-Zins)
sowie die ausufernde Regulierung haben das Geschäftsmodell nachhaltig
geschädigt. Immer mehr Sparkassen und Volksbanken werden sterben.
Halb tot ist auch schon die Deutsche Bank, die in den 1990er Jahren
noch den Plan hatte, die größte Bank der Welt zu werden und sich im
Investmentsektor schwer die Finger verbrannt hatte. US-Banken wie JP
Morgan und Goldman Sachs haben die Finanzkrise nach 2008 schnell
überwunden und verdienen derzeit Geld ohne Ende.
These Nr. 3: Ein Finanzsystem der zwei Dimensionen – zentral vs. dezentral
Da sich die Blockchain-Technologie in immer mehr Bereichen etabliert,
entstehen auch immer mehr dezentrale Strukturen. Zentralistisch
organisierte Finanzinstitute wird es weiterhin geben, wenn auch in
geringerer Zahl, aber dezentrale Systeme nehmen gleichzeitig zu. Der
DeFi-Bereich wird wieder für eine bessere Kreditversorgung von
Verbrauchern und Unternehmen sorgen, noch dazu, ohne eine Bank besuchen
zu müssen.
These Nr. 4: Digitales Zentralbankgeld (CBDC) und Token-Infrastrukturen begründen neuen Standard im Finanzsektor
Die Wirtschaftsgeschichte hat gezeigt: Was technisch machbar ist, wird
auch real umgesetzt. Da z.B. Versuche in China zeigen, dass CBDC
(Central Bank Digital Currency = Digitales Zentralbankgeld)
massentauglich ist, wird es auch kommen. Die Ausgestaltung wird zeigen,
ob es noch Bargeld im kleinen Rahmen oder nur noch elektronisches Geld
geben wird. Da für Regierungen der Anreiz unwiderstehlich ist, mit
Digitalgeld effektiver in alle Bereiche eingreifen zu können, wird es
sich durchsetzen und die finanzielle Privatsphäre der Bürger kaum noch
gegeben sein. Außerdem muss man privaten Stable Coin-Plänen wie dem von
Facebooks Libra zuvorkommen.
These Nr. 5: Maschinen werden zu Bankkunden
Die oben angesprochene Digitalisierung sowie die Weiterentwicklung der
Künstlichen Intelligenz werden zu etwas führen, was jetzt noch völlig
utopisch klingt, aber schon bald normal sein wird: Bei der
Machine-to-Machine-Kommunikation werden autonome Maschinen die Mehrzahl
der Transaktionen ohne Menschen abwickeln (IoT Internet of Things,
selbstfahrende Autos, Smart-Contract, Smart Fabrik usw.). Sven
Wagenknecht: „Der ehemals einfachste Finanz-Smart-Contract, der
Geldautomat, an dem man sein Bargeld zieht, wird in Zukunft noch sehr
vielen rein digitalen Smart-Contract-Konstruktionen weichen müssen.“
These Nr. 6: Tokenisierung so normal wie ein Bankkredit
Unter Tokenisierung kann sich heute noch kaum einer was vorstellen, in
wenigen Jahren wird es Standard sein und jeder wird es kennen. So wie sich
physische Tonträger (Schellack > Vinyl > Band > CD) in
digitale Musikdateien verwandelt haben, so werden die Eigentumsrechte
aller Arten von Assets (Aktien und andere Wertpapiere, Immobilien,
Wertgegenstände aller Art) in Security Token verändern. Sven
Wagenknecht: „So ist es beispielsweise auch denkbar, dass eine
Tokenisierung von KMUs auch im Firmenkundencenter der Hausbank
durchgeführt wird.“
These Nr. 7: Banken werden zu Bausatzkästen
Universalbanken haben zu lange argumentiert, „alles aus einer Hand“ zu
bieten und dabei vergessen, sich weiterzuentwickeln. Nun sind sie in
vielen Bereichen nicht mehr gegenüber FinTechs konkurrenzfähig. Das wird ihr Aus bedeuten oder sie werden mit anderen Geschäftsmodellen und Dienstleistern kooperieren müssen.
These Nr. 8: Investmentbanker tragen keine Krawatten mehr
Sven Wagenknecht: „Die Zeiten von Gordan Gekko und den Masters of the
Universe neigen sich immer mehr dem Ende zu. Die wirklich smarten Leute
von den Top-Universitäten wie Harvard oder MIT gehen immer seltener zur
Wall Street und immer öfter ins Silicon Valley. Entsprechend wird auch
eine Verschiebung von Schwerpunkten und Wertschätzung innerhalb der
Banken einsetzen, die bereits im Gange ist. Es braucht immer weniger
Mitarbeiter mit Finance- als mit Informatik-Background. Die
erfolgreichsten Finanzhäuser werden die besten Programmierer haben, die
gleichzeitig zu den bestbezahlten Bankern gehören. Die Krawatte wird
dem Hoddie weichen und viele Banker der alten Garde werden sich fragen
müssen, wofür man sie überhaupt noch braucht. Natürlich wird es auch im
Jahr 2030 noch „klassische“ Investmentbanker geben, dennoch dürfte sich
genau wie die Anzahl der einfachen Bankmitarbeiter am Schalter, ihre
Anzahl erheblich reduzieren.“
These Nr. 9: Die größten „Banken“ werden Facebook, Google und Amazon heißen
Eine vielleicht sehr überraschende These, aber sie hat eine starke
Grundlage. Diese Internet-Riesen verfügen jeweils über Milliarden von
Nutzern – und damit über deren Daten. Und Daten sind das Erdöl des 21.
Jahrhunderts. Mit diesen Datenbeständen kann keine Bank mithalten. Dazu
kommt die Analyse-Kompetenz der Tech-Giganten.
These Nr. 10: Asien first, Westen Second
Während Europa das Rennen gegen US-Banken und -Technologieriesen
bereits verloren hat, scheint Asien und dort speziell China einzig in
der Lage zu sein, den Abstand zu verkürzen oder die USA technologisch
gar zu überholen. Während China den eigenen Markt nur sehr zögerlich
öffnet, tritt es auf den freien Märkten des Westens sehr aggressiv auf
und akquiriert Unternehmen und Know-how. Die strategische Weitsicht der
politischen Führung, der Fleiß der Bevölkerung und das starke
asiatische Wachstum spielen China in die Hände, so dass wohl bald die
weltgrößten Finanzinstitute dort ansässig sein werden.
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